Angst- und Alpträume: Was uns des Nachts ängstigt

Haben Sie das auch schon einmal erlebt? Sie schrecken schweiß-gebadet mit pochendem Herzen aus dem Schlaf hoch und brauchen einige Sekunden bis sich die Erkenntnis einstellt, dass alles nur ein "schlechter" Traum war? Aber - gibt es überhaupt "schlechte" Träume? Oder sind die vermeintlich "schlechten" Träume am Ende doch nicht so übel wie sie anfangs erscheinen?

Traumbildern haftet etwas Unwirkliches und Surreales an. Sie erinnern an Gemälde von Salvador Dalí. Da gibt es Elefanten auf Stelzbeinen, schmelzende Uhren und ein mit Gras bewachsenes Regenauto, in dessen Innenraum, gefüllt mit Wasser, gleichzeitig Fische schwimmen und Schmetterlinge fliegen.

Genau wie Dalí seine Werke komponiert, so setzt die Seele im Traum Menschen, Dinge, Orte und Zeiten in ungewohnter Weise zusammen. Sie bringt uns damit zum Staunen und Grübeln. Diese Arrangements der Seele sind weder als positiv noch als negativ zu bewerten. Sie wollen - wie die Kunst - darstellen und veranschaulichen.

Abb. 2

Was macht einen Traum zu einem "schlechten" Traum?

Ein Traum wird zu einem "schlechten" Traum durch Emotionen, die durch die Bilder hervorgerufen und von uns als bedrohlich empfunden werden. Das, was uns so sehr ängstigt, liegt im Schattenreich der Seele verborgen, in den tiefen Schichten unserer Persönlichkeit. Der Psychotherapeut C.G. Jung bezeichnete den Schatten als Archetyp, der unsere unbewussten und verdrängten Persönlichkeitsanteile beherbergt. Die Ursachen hierfür liegen u.a. in unbewältigten Krisen und Verlusten, traumatischen Ereignissen oder Stress.

Diese Schattenanteile werden in der Nacht entfesselt, steigen in unseren Träumen auf und treten uns in Form von Tieren wie z.B. Spinnen und Krokodilen, von Fantasiefiguren wie z.B. Werwölfen und Vampiren, von Menschen wie z.B. Verfolgern oder Angreifern, von Katastrophen wie z.B. Weltuntergang oder dem eigenen Tod entgegen. In welcher Gestalt und auf welche Weise sie uns erscheinen steht in engem Zusammenhang mit der zugrundeliegenden Ursache.

Sie alle verfolgen nur ein einziges Ziel: Sie wollen uns eine dringende Botschaft übermitteln - und das in aller Deutlichkeit. Sie wollen mit aller Macht unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Und dazu bedienen sie sich solcher Bilder, die uns Angst einflößen und aufschrecken. Wir erwachen mit Herzklopfen.

Manchmal erinnern wir uns nicht an das, was uns solche Angst eingejagt hat, ein anderes Mal verfolgt uns das erschreckende Bild über eine längere Zeit hinweg.

Es kommt sogar vor, dass wir ein und dasselbe Bild und denselben Traum wieder und wieder durchleben: Wir fallen aus großer Höhe hinab in die Tiefe, werden verfolgt oder befinden uns inmitten von Katastrophenszenarien.

Die Angst- und Alpträume und die Panik, die sie auslösen, möchten wir verständlicherweise lieber so schnell wie möglich wieder vergessen. Sie zu ignorieren oder wiederholt zu verdrängen, ist keine dauerhafte Lösung. Wirklich auflösen können wir einen Trauminhalt, wenn wir ihn ernst nehmen und uns mit ihm auseinandersetzen. Dann ermöglicht er uns eine besonders tiefe Einsicht in unsere Psyche. Solche Träume möchten uns auf eine Angst hinweisen, die uns in unserem freien, authentischen Lebensausdruck hindert.

Angst gehört zum Leben. Jeder Mensch kennt seine ganz persönliche Form der Angst, die durch seine Entwicklung, Lebensbedingungen, Anlagen und seine Umwelt geprägt wurde.1 Angst hat die Aufgabe, uns vor Gefahren zu warnen. Sie begleitet uns - mal mehr, mal weniger - in jeder neuen, unbekannten Situation. Gleichzeitig fordert sie uns heraus. Unsere Angst zu überwinden und zu meistern lässt unsere Persönlichkeit wachsen und unseren Charakter reifen. Angst treibt uns an und bringt uns in unserer Entwicklung voran.

Wir haben die Möglichkeit, uns angesichts unserer Angst- und Alpträume tot zu stellen und sie zu ignorieren oder wir stellen uns ihnen und nehmen sie in Angriff. Wenn wir uns mit dem, was uns des Nachts ängstigt, auseinandersetzen, können wir den wahren Schatz, der im vermeintlich "schlechten" Traum schlummert, ausfindig machen und bergen. Diese Entdeckung wird Sie bereichern und Sie zu einem neuen "Vermögen" führen.

Abb. 1: Teaser, Mond im Venn, Heike Hellenthal, 2011
Abb. 2: Lightspring / shutterstock 314973995
Abb. 3: Juhasz SZ / shutterstock 553053133
Abb. 4: Eddie Phantana / shutterstock 418183600

1 Vgl. Riemann, Fritz: Grundformen der Angst. Eine tiefenpsychologische Studie. Ernst Reinhardt Verlag München Basel

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